MALEREI


Dem Frühwerk Hans Körnigs blieb jenes Schicksal erspart, dass den Arbeiten vieler Dresdner Künstlerkollegen beschieden war: die Vernichtung bei der Bombardierung Dresdens. Die ausgleichende Ungerechtigkeit sorgte aber dafür, dass sein eigentliches malerisches Hauptwerk, entstanden in den Jahren von 1949 bis 1961, durch Beschlagnahme und sorgfältigen Verschluß dem Bewusstsein der kunstinteressierten Öffentlichkeit verborgen blieb.

Wie bei vielen Malern seiner und auch der vorhergehenden Generation führte der Weg Hans Körnigs zu seiner unverwechselbaren Handschrift zunächst über den Impressionismus. Den größten Teil seiner frühen Arbeiten hat Körnig durch Abkratzen und erneutes Übermalen leider selbst vernichtet, aber was davon erhalten blieb, zeigt sich als verheißungsvoller Anfang einer spannungsreichen Entwicklung.

„ ... vor dem Kriege war ich ein Barbouilleur, wie der Franzose sagt, das heißt ein Farbenkleckser und Schmierer, der seine größte Freude daran hatte, die Leinwand mit schillernden Farben zu bedecken und sich daran zu berauschen.“[1] urteilte Körnig selbst über sein Frühwerk. Der von ihm im Nachhinein kritisch betrachtete „Farbenrausch“ packte ihn nach dem Verlassen der Akademie auf seinen Reisen nach Italien, Frankreich und Paris. Dieter Hoffmann bezeichnete es treffend als impressiven Expressionismus, was Körnig Mitte bis Ende der 30er Jahre auf die Leinwand brachte.[2] Der Einfluß Oskar Kokoschkas, zu dessen Schülern Körnig zwar nicht gehörte, aber dessen Wirken der angehende Kunststudent in Dresden hautnah erleben konnte, zeigt sich ganz deutlich in den Arbeiten „Selbst“ und „Blick zur Stadt“. Besonders in dem clownesken „Selbst“ erfährt Körnigs impressionistische Schulung durch den pastosen Farbauftrag eine Steigerung ins Expressive. Der 1936 entstandene „Sommer“, ein Selbstporträt mit einem posierenden Aktmodell, strotzt nur so vor Lebensfreude und überbordender Sinnlichkeit.

Während seiner Akademiezeit hatte er in Ferdinand Dorsch und Max Feldbauer zwei grundsolide Vermittler technischer, handwerklicher und künstlerischer Grundlagen. In zähem und disziplinierten Ringen überwand er deren frühe impressionistische Einflüsse, zugunsten einer zeichnerischen Flächenkomposition und Rhythmisierung der Linie. Die Entwicklung seiner eigenen Handschrift führte Körnig in die Nähe der kubistischen Porträts Picassos und dessen Arbeiten aus den 20er Jahren, die ihre Spuren vor allem in Körnigs Aktdarstellungen, wie den „Zwei weiblichen Akten“ von 1950/51 hinterließen.

Zu den ersten maßgeblichen Arbeiten, die nach der Zäsur des Krieges entstanden, gehören „Nackte Familie“ und „Im Park“, beide von 1949. In ihnen zeichnet sich bereits das zentrale Thema ab, mit dem sich Körnig immer wieder auseinandersetzen wird: der Familie, dem Porträt und dem menschlichen Körper. „Im Park“ ist ein Doppelporträt von ihm und seiner Frau Lisbeth. Die Gesichter beider Halbfiguren erscheinen im Profil und schauen aneinander vorbei, ein Gegensatzpaar in tiefer Verbundenheit. Er bekleidet mit Hemd und Smoking, sie nackt, als Rückenakt. Er stolz und steif, mit erhobener Nase, die vom ähnlichen Profil der Steinvase im Hintergrund karikiert wird, sie selbstbewußt und erhobenen Hauptes ihn umfangend, ohne zu klammern.

Die künstlerische Produktivität wird bei Körnig durch häusliche Impulse wie der Familiengründung nicht gehemmt, sondern im Gegenteil stimuliert – das Inventar seiner Bilder beruht auf dieser Konstante. Mit der Geburt der Tochter Margarethe, seinem besten Werk, wie er auf der zweiten Dachbodenausstellung sagte, rückt seine Familie in den Mittelpunkt seines Schaffens. Seine Familienbilder spiegeln Körnigs tief empfundenes Glück ohne je ins Süßliche abzudriften, davor rettet ihn sein trockener Humor und der Hang zur Ironie. Den Auftakt dieser „Programmbilder“ bildet „Das Lied“, die erste Arbeit, welche die nunmehr vollständige Familie zeigt.

In den Wochen von November 1954 bis Januar 1955 entstehen in rascher Folge eine Reihe großformatiger Ölgemälde, darunter das Tryptichon Nocturne - das Bad – Pomona. „Das Bad“ zeigt seine Frau und die Töchter in den Kulissen eines Hausflurs auf der Königstraße Nr. 7 unweit von seinem Atelier. Die farbigen Fenster und der geflieste Fußboden wecken tatsächlich Erinnerungen an ein altes Bad. „Nocturne“ vereint die Familie, dieses Mal mit Körnigs Schwiegermutter Margarethe Reichert auf einer Terrasse. Im Hintergrund erscheint als Staffage wieder die Steinvase, die schon häufiger auf früheren Arbeiten auftauchte. Die räumliche Situation ist in „Pomona“ ähnlich, nur ist die Terrasse statt von einer Balustrade jetzt von einer Weinlaube begrenzt. Auf dem Fliesenfußboden, der alle drei Bilder miteinander verbindet, sind verschiedene Früchte angehäuft zwischen denen Lisbeth Körnig als Pomona, die Göttin der Baumfrüchte, thront.

Innerhalb und neben dem großen Familienthema entstehen immer wieder Arbeiten mit allegorischen Bezügen. Großzügig adaptiert Körnig die „Klassiker“, tastet sich an sie heran und grenzt sich ab. Der „Akt vor´m Spiegel“ setzt die Tradition von Velasquez´ „Venus und Cupido“ und Goyas „Nackter Maya“ fort. Selbstbewußt ob seiner sächsischen Herkunft lässt Körnig den Turm der Petrikirche, den er von seiner Wohnung im skurrilen Kleinbürgerviertel Pieschen sehen konnte, durchs Fenster die schöne Nackte grüßen. Das „Urteil des Paris“ verlegt er in die Sächsische Schweiz vor die Kulisse des Gohrischsteins.

Eine Konstante in Körnigs Bildern ist die Wiederholung der Staffage und der Requisiten. Speziell Maske und Gipsfuß am blauen Pfeiler seines Ateliers erinnern von fern an die surrealistisch anmutenden Stilleben des Italieners Giorgio de Chirico. Inmitten dieser Atelierdekoration platziert Körnig seine Modelle. Das sind nicht nur die Mitglieder der Familie, sondern auch Freunde und Bekannte. Wahrscheinlich ist „Dr. Lothar Bolz“ nicht nur das prominenteste Porträt, das Körnig seinerzeit malte, auch dessen Entstehungsgeschichte ist paradox. Der damalige Außenminister der DDR sitzt dem renitenten Maler Modell.

Eitelkeit kann der Grund nicht gewesen sein, völlig unprätentiös blickt Bolz auf einem alten Klavierhocker sitzend dem Betrachter entgegen. Eingerahmt von dem schon erwähnten blauen Pfeiler und Goldspiegel, die massigen Hände auf die Knie gestützt, entspricht seine Haltung eher einem klassenbewussten Arbeiter oder Bauern, denn einem kunstsinnigen Rechtsanwalt, der er von Hause aus war. Einen wichtigen Platz nimmt auch in Körnigs Oeuvre das kritische Selbstporträt ein, wie es im Dresdner Raum speziell von dem ein Jahr älteren Curt Querner gepflegt wurde.

Ironisch - kritische Untertöne durchziehen sein gesamtes Schaffen, treten jedoch in verschiedenen Werken besonders hervor. Das prächtige Kranzgebinde mit dem heroischen Spruchband „Ruhm und Ehre der Sowjetarmee“ wird von dem schielenden und grinsenden Totenschädel konterkariert. In „Der Ruhm“ und „Abendländische Elegie“ fragt der Melancholiker Körnig nach dem Sinn und Streben des menschlichen Lebens.

Der Nährboden seines gesamten künstlerischen Schaffens war Dresden und seine Familie. Seine Phantasien erwuchsen ihm aus einem vitalen Regionalismus, der nicht mit Provinzialität zu verwechseln ist. Die Malerei war für Körnig seit seiner Nichtwiederkehr nach Dresden passe´. Die beengten Räumlichkeiten und teuren Farben waren wahrscheinlich nur einer der Gründe, sich ausschließlich der Grafik zuzuwenden.

„Ökonomische Zwänge können hervorragende Grafiker entstehen lassen.“ heißt es über Käthe Kollwitz.[3] Körnig war bereits in Dresden ein hervorragender Grafiker. Die Zwänge seiner Zeit haben dem ebenso ausgezeichneten Maler vorzeitig den Garaus gemacht.


[1] Hans Körnig: Manuskript der Rede zur Eröffnung seiner Dachbodenausstellung 1954

[2] Hoffman, D. In: Hans Körnig. 1992. S. 4

[3] Knesebeck, A. von dem: Käthe Kollwitz. Werksverzeichnis der Graphik. Bd.1. S. 17



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